Die Retter in Rot

Unterwegs mit der DLRG

Die Retter in Rot - Unterwegs mit der DLRG

Mehrere hundert Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland bei Badeunfällen. Betroffen vor allem junge Erwachsene und Kinder. Und zum ersten Mal seit vier Jahren steigt die Zahl der Toten wieder. Mindestens 355 Menschen ertranken im vergangenen Jahr, 56 mehr als 2021. Ohne sie wäre die Zahl noch deutlich höher: die Frauen und Männer der DLRG, der deutschen Lebensrettungsgesellschaft, retteten im vergangenen Jahr 836 Menschen vor dem Ertrinken, so viele wie seit 40 Jahren nicht mehr Als ehrenamtlicher Strömungsretter seilt sich Francesco Gentile aus schwindelerregenden Höhen ab. O-Ton: Francesco Gentile „Was einem am Meisten durch den Kopf geht, dass man hier nicht abstürzt.“. Wie schnell aus einer Übung Ernstfall werden kann, erleben er und seine Kollegen später selbst. Ein Kajak kentert und das Team kann erst im letzten Moment eingreifen. O-Ton: Ausbilder Christian „Das ist rasend schnell. Fünf Sekunden verpennt und das Thema ist durch. Der ist vorbei, kriegt ihr nicht mehr.“ Leonie Staudenmayer darf zum ersten Mal im Rhein mit schwimmen. Bei einem großen Event ist sie für die Sicherheit der Teilnehmer verantwortlich. O-Ton: Leonie Staudenmayer „Die Schiffe sind doch sehr groß und sehr nah! Aber ansonsten hoff ich, dass die Routine funktioniert.“ Dass ihr erster Einsatz ein tragisches Ende nehmen wird, ahnt sie noch nicht. O-Ton: Leonie Staudenmayer „Bei so einem Einsatz lernt man die Leute einfach nochmal ein bisschen anders kennen. Und damit muss man aber auch umgehen können mit der Einsatzsituation. Dann wird man halt mal kurz angeschrien, dass man irgendwas machen muss aber das ist halt im Einsatz normal.“ Maren Bartels gehört zur Elite-Truppe der DLRG. Die „Air-Rescue-Specialists“ lernen das Retten per Hubschrauber. O-Ton: Maren Bartels „Wir müssen ja im Zweifel mit diesem Maschinentyp auch alleine, in Anführungsstrichen, einsetzbar sein.“ Die Luftretter werden gerufen, wenn es zur Katastrophe kommt. Dafür trainieren sie hart. Stürzen sich aus großer Höhe in die Fluten. O-Ton: Maren Bartels „Wenn du zu viel Angst hast, kannst du ja auch nicht mehr konzentriert arbeiten und auf gute Lösungen kommen.“ Egal ob aus dem Wasser, von Land oder aus der Luft. Mit über 500.000 ehrenamtlichen Mitgliedern ist die DLRG die Nr. 1 der Wasserrettung. Die Retter in Rot – Unterwegs mit der DLRG. Die Saalach in Österreich. Hier üben die Strömungsretter der DLRG für den Ernstfall. Was sie noch nicht wissen – genau dieser wird heute eintreten. O-Ton: Ausbilder „Erstmal das Raft runter. Das können wir schon mal ausstatten und dann runtertragen.“ Auch Francesco Gentile wird hier sein Training absolvieren. Der 21-Jährige ist erst seit kurzem Strömungsretter. Sein nächstes Ziel? Selbst zum Ausbilder werden und Nachwuchs schulen. O-Ton: Francesco Gentile, 21 Jahre, Strömungsretter „Wir haben tatsächlich jahrelang keine Strömungsretter im Kreis gehabt. Und damit alles so weit läuft, sorgen wir dafür, dass wir uns weiter fortbilden können und unseren eigenen SR Trupp bestellen können.“ Sollte er scheitern, gibt es also weiterhin keine Strömungsretter in seiner Ortsgruppe. Die Spezialausbildung kann nicht nur in reißenden Fluten über Leben und Tod entscheiden. O-Ton: Francesco Gentile „Strömungsretter sind natürlich nicht nur da, um komplett in der Strömung zu gehen. Sie sind auch bei Sucheinsätzen sehr gut zu nutzen – dadurch, dass sie halt voll ausgerüstet sind, mit Helm, Handschuhen und Co. Auch die schweren Schuhe fürs Wasser, können wir jederzeit ins Wasser vom Boot aus, können die Ufer absuchen, was bei uns eine Riesenrolle spielt. Aber auch in der Lahn haben wir Wehre und Schleusen, die natürlich eine Riesengefahrenquelle stellen.“ O-Ton. Leonie Staudenmayer „Heute: Schwimmen, retten, abseilen – wie ihr es euch gewünscht habt. Zuallererst gehen alle Zusammen einmal durch, einmal schwimmen. Danach teilt ihr euch auf: Eine Gruppe geht abseilen, eine Gruppe geht schwimmen und eine Gruppe geht retten.“ Das Wasser richtig lesen ist hier lebenswichtig. Gegen die reißenden Fluten anzukämpfen - ein richtiger Kraftakt. Der Trupp muss seine körperliche Ausdauer beweisen. Statt einer Pause folgt sofort die zweite Übung: Abseilen und retten. O-Ton: Ausbilder „Wir machen das so: ihr klickt euch ein, hier drüben, mit eurer Selbstsicherung. Bindet euch schön mit dem Achter ein. Steigt über. Sucht eure Position, dass ihr schön steht.“ Ein kleiner Fehler, und Francesco könnte in die Tiefe stürzen. Einerseits soll ihn das Tau halten, andererseits muss er sich mit einem Handgriff lösen können. Ein echter Drahtseilakt. O-Ton: Francesco Gentile „Klar, es ist immer ein kleines Risiko dabei, das ist keine Frage. Dadurch, dass wir das aber kontinuierlich üben, bleiben wir immer weiter drin. Das ist ja das Ziel, dass wir uns sicher fühlen.“ Mit diesem Gefühl geht Francesco in die Übung. Doch er weiß: auch unter Wasser lauern viele Gefahren. O-Ton: Francesco Gentile „Wir haben deutliche Strömung. Das fängt da oben an, wo sie natürlich sehr stark ist, wo sie abfällt, mit einer darunter entstehenden V-Bildung. Dann haben wir verschiedene Hindernisse, z.B. den Stein da vorne oder hier.“ Über die Brüstung klettern, unter sich das wilde Wasser. Das Übungsszenario ist extrem real. Mutig macht Francesco den Anfang. Meter für Meter seilt er sich ab, 10 Meter in die Tiefe. Doch die starke Strömung bereitet ihm Schwierigkeiten. Wenn er es jetzt nicht schafft im richtigen Moment loszulassen, ist der sogenannte Rettling, also der Kollege, den er hier aus dem Wasser bringen soll, verloren. Und auch danach sind sie noch nicht in Sicherheit. Francesco muss sich und seinen Kollegen sicher aus der Strömung bringen. O-Ton: Francesco Gentile „Was einem am Meisten durch den Kopf geht, dass man hier nicht abstürzt. Klar, haben wir immer einen Helm an, doch dass man nicht mit dem Kopf gegen einen Metallträger donnert – dafür gibt’s ja die Technik, dass wir weit genug runtergehen mit dem Oberkörper und dann die Beine nachziehen – da sollte nichts passieren. Klar, dass wir nicht durchrauschen. Im Zweifel landen wir zwar im Wasser, aber muss ja auch nicht sein. Und ja, gucken, dass man möglichst den Verunfallten trifft und mitnimmt und nicht alleine rauskommt.“ Der erste Durchgang war noch ausbaufähig. Zweiter Versuch. O-Ton: „Erste Runde hat gut geklappt. Bist gut vorbei gekommen. Du kannst mal probieren, ob du hinter dem Stein einkehrst und nicht über den Stein ziehst, ist zwar ein bisschen eng. Hat schon ganz gut geklappt. Guck dass du hinter den Stein kommst. Am Eddi und dann rüber kommst.“ … „Sehr schön aufgenommen. Sehr schön am Stein vorbei. Top. Besser als vorhin.“ Doch der Tag ist noch lang und es gibt noch etliche Übungen. Für ihren Master im Rettungsingenieurwesen ist Leonie erst vor kurzem nach Köln gezogen. Heute hat sie direkt ihren ersten großen Einsatz. Dass dieser tragisch enden wird, weiß sie morgens noch nicht. O-Ton: Leonie Staudenmayer „Ich bin jetzt vor drei Wochen in die Ortsgruppe Köln Nord eingetreten … und deswegen ist es jetzt quasi die erste offizielle Absicherung, die ich mitmache. Zum ersten Mal im Rhein schwimmen. Normalerweise ist der ja gesperrt, man darf nicht schwimmen im Rhein, der ist ja ziemlich gefährlich und deswegen find ich’s ganz cool, dass ich auch mal rein darf und im Rhein schwimmen kann.“ Der Rhein ist eine schnell fließende und viel befahrene Wasserstraße. Viele unterschätzen die Gefahren des Wassers – oftmals mit tödlichen Folgen. Trotzdem findet jährlich das traditionelle Rheinschwimmen statt. Rund 130 Teilnehmer lassen sich dabei den Strom hinuntertreiben. Begleitet von Booten der Wasserschutzpolizei und der DLRG. Heute mit dabei: Leonie. O-Ton: Leonie Staudenmayer „Weil der Rhein so schnell ist, kann es immer sein, dass a) Leute abgetrieben werden, wenn die Berufschifffahrt kommt, weil die wird ja nicht pausieren, die dürfen ja trotzdem durchfahren … und sonst ja, Unterkühlung, weil der Rhein ja relativ kalt ist, der hat ja nur 11 Grad … Ertrinken … halt so die üblichen Gefahren, die halt in einem Fluss entstehen können und warum man nicht im Rhein schwimmen sollte.“ René ist heute Leonies Team-Partner und gleichzeitig ihr erster Kontakt in der noch fremden Ortsgruppe. Gemeinsam machen sie sich auf zur DLRG-Station. Auch in ihrer alten Heimat war sie ehrenamtliche Lebensretterin und hat sich deshalb direkt nach dem Umzug nach Köln bei der neuen Ortsgruppe angemeldet. O-Ton: Leonie Staudenmayer „Man kann direkt ins Training gehen. Da trifft man Leute. Man kann auf die Absicherung oder Einsätze gehen. Das ist eigentlich immer ganz gut, dass man halt auch immer schnell Anschluss findet, vor allem, weil sie einen alle so herzlich aufnehmen. Und man kann ja wirklich überall irgendwie mitmischen“ Seit über 10 Jahren ist Leonie Rettungsschwimmerin. Sie weiß, wie die DLRG tickt. O-Töne: „Wo seid ihr heute eingeteilt? Was macht ihr heute? Das kommt gleich noch, mal gucken. - Irgendwo hier auf dem Rhein bestimmt. – Wow! Crazy! – Nee, ich nicht. – Nein? Du nicht? - An Land! – Bist du ELW? (Einsatzleitwagen) - Nein ich bin ‚Leute rausziehen‘. – Ach geil! Ich schwimm mit. Kannst mich rausziehen. – Wie? Du schwimmst mit? – Ja mit René zusammen. Voll geil.“ O-Ton: Leonie Staudenmayer „In der DLRG die sind irgendwie alle gleich und alle ziemlich offen. Und die wissen ja, dass man im Einsatz zusammen funktionieren muss, deswegen sind die glaub alle offen und nehmen einen megaherzlich auf. Also hab ich zumindest das Gefühl von Köln.“ Beim gemeinsamen Frühstück wird besprochen, welcher Lebensretter wo eingeteilt ist. Jeder muss genau wissen, was heute sein Job ist. O-Ton: „Des Weiteren auf allen Einsatzmitteln ein Megafon mitnehmen.“ Vor Leonie liegt heute eine außergewöhnliche Aufgabe. Sie muss mit in den Rhein. Und das auch noch unter erschwerten Bedingungen: O-Ton: „Im ELVIS ist die Veranstaltung heute nicht eingepflegt, dementsprechend weiß die Berufsschifffahrt heute nicht Bescheid, dass eben Schwimmer im Wasser sind.“ „Für die, die mit ELVIS nichts anfangen können – das ist das Elektronische Informationssystem für die Binnenschifffahrt.“ Am Ufer herrscht schon geschäftiges Treiben. Die Rheinschwimmer können es gar nicht erwarten, endlich ins Wasser zu gehen. Sicherheit geht aber vor: deshalb checken Leonie und Teampartner René die Lage von Land aus. O-Ton: René „Wie müssen gucken, wenn die gleich starten, und die müssen in die Verlängerung von dem Hochhaus grade raus, weil das Wasser läuft noch gut drei bis vier Meter über die Steine und da ist nur das, was du grade gesehen hast, so’n kleiner Schritt drüber und wenn die da drauf treten und obendrüber beschleunigen, dann rutschen dahinter in die Steine rein.“ Die Gefahr lauert gleich unter der Wasseroberfläche. O-Ton: Leonie Staudenmayer „Man sieht einfach gar keine Steine mehr, oder gar keine Sandbänke oder so. Und klar, wenn die jetzt drei Meter unter Wasser sind, dann ist das natürlich ok für uns. Aber so ein bisschen über den Steinen tut dann schon weh, wenn man hängenbleibt, tatsächlich.“ Bei Leonie steigt die Nervosität. Im Wasser kann man schnell übersehen werden. Und ausgerechnet heute weiß die Binnenschifffahrt nicht Bescheid. O-Ton: Leonie Staudenmayer „Also tatsächlich hatten wir das Problem, dass die Boote relativ nah waren, in der Schwimmstrecke. Allerdings hat die Polizei sich ja jetzt quasi Blaulicht angeschaltet und die DLRG auch, von dem her ist das jetzt entfernt, aber trotzdem … die Schiffe sind irgendwie doch sehr groß und sehr nah dran. Ansonsten eigentlich, hoffe ich, dass die Routine funktioniert.“ O-Ton: „Achtet bitte darauf, möglichst in der Nähe von dem Floß mit der kleinen Fahne zu bleiben, damit der Pulk nicht zu weit auseinandergetrieben wird.“ Schwimmer absichern, Boote im Auge behalten, Gefahren einschätzen. Alles, damit für die Teilnehmer der Spaß an erster Stelle stehen kann. Neoprenanzug und Flossen sind Pflicht. Kostüme nicht. O-Ton: Funkspruch „Wachführung an alle eingesetzten Kräfte von der Veranstaltung DUC. Die ersten Teilnehmer gehen jetzt ins Wasser, ich wiederhole: die ersten Teilnehmer gehen JETZT ins Wasser.“ Leonie und René müssen ans äußere Ende der Gruppe, um alle auf die richtige Route zu leiten. Und dann kann‘s endlich losgehen. O-Ton: „3, 2, 1 und los geht’s!“ In Österreich hat Francesco seine erste Übung gemeistert. Beim nächsten Durchgang wird es richtig gefährlich. Er muss sich nach dem Abseilen mit einem Messer losschneiden. O-Ton:Ausbilder „Wenn ihr die fest habt, Messer fest in die Hand, von euch wegschneiden – nicht zu euch hin. Von euch weg. Weg ist das „vom Körper weg“. Und dann lasst ihr das Messer in eurer Hand. Stecht euch da nirgendwo mit hin und treibt passiv rüber.“ Für den 21-Jährigen und die anderen Teilnehmer absolutes Neuland. O-Ton: Ausbilder „Wenn ihr geschnitten habt, fallt ihr abrupt ins Wasser. Das ist dann erstmal ein Schock. Also bevor ihr schneidet, denkt: Ich muss das hier festhalten. Und wenn ihr eintaucht, dann habt ihr den Reflex und man lässt los, dann ist’s halt weg. Das wäre halt ärgerlich“ O-Ton: Francesco Gentile „Neue Gefahren, alles ein bisschen anders. Es ist halt nicht „einfach mal aus dem Seil rausrutschen“, nach dem Motto „man lässt los“. Man muss darauf achten, dass man das Messer in die richtige Richtung schneidet, dass man sich nicht selbst verletzt und das Messer danach nicht verliert, dass man das Messer danach auch, wenn man dann vom Wurfsack eingefangen wird, sich den Wurfsack nicht durchschneidet … . Das sind alles Sachen, die man jetzt im Kopf behalten muss, die man gleichzeitig machen muss. Ich geh das jetzt mit klarem Kopf durch, damit das gleich alles perfekt klappt.“ Jetzt heißt es volle Konzentration auf das Messer, sonst drohen Verletzungen. Kurz vor seinem Einsatz muss die Übung unterbrochen werden. Die Saalach ist nicht nur bei der DLRG beliebt. Immer wieder kreuzen Rafting-Gruppen den Weg. Jetzt wird’s für Francesco ernst. Wie wichtig diese Übung ist, erfahren die Strömungsretter wenig später am eigenen Leib. Gibt es keine Brücke zum Abseilen, setzt die DLRG auf ihren Hubschrauber. Maren gehört zu den AIR RESCUE SPECIALISTS der DLRG. Einer Spezialgruppe, die für die Rettung aus der Luft ausgebildet wird. Auf dem Flugplatz in Laßrönne trainiert das Team heute für den Katastrophenfall. O-Ton Maren Bartels, Air-Rescue-Specialist „Man muss alles in der richtigen Zeit korrekt anlegen, die ganze persönliche Schutzausrüstung. Wir müssen auch noch zwei Checks auf dem Weg absolvieren mit den Kollegen, das wir auf jeden Fall alles richtig haben, denn gerade beim Gurt gibt’s halt keine Kompromisse. Da muss alles richtig sein.“ „Luft ist im Wasser schlecht, deshalb muss die raus. Sieht vielleicht ein bisschen affig aus, ist aber nachher dann besser.“ Ihr Job ist gefährlich. Nur völlig korrekt angelegte Gurte schützen Maren und ihre Patienten vor einem Sturz. Auch wenn jeder Einsatz riskant ist, fürchtet sie sich nicht. O-Ton: Maren Bartels „Ich glaube, wenn du zu viel Angst hast, kannst du ja auch nicht mehr konzentriert arbeiten und auf gute Lösungen kommen.“ Vertrauen ist gut, Kontrolle besser. O-Ton: Maren Bartels „Christian, das sieht aus, als ob du gleich ein gutes Timing für einen Gurtcheck hättest.“ Kollege Christian weiß, dass diese paar Zentimeter Stoffgurte und Metall-Schnallen später im Ernstfall über Leben und Tod entscheiden können. O-Ton: „Wisst ihr schon wann ihr fliegt? Und in welcher Reihenfolge? Du bist als Erstes dran.“ „So ich glaub wir sind spät dran. Los geht’s!“ An der Abflugstelle wird Maren schon erwartet. Die Hubschraubergestützte Wasserrettung ist eine Kooperation zwischen der DLRG, der Bundespolizei und der Wasserwacht. In einem Katastrophenfall arbeiten hier alle Hand in Hand. Gute Vorbereitung und feste Regeln sind ein Muss. Martin Höfler hat in der Vergangenheit schon Dutzende solcher Einsätze für den Ernstfall koordiniert und weiß genau: auch bei erfahrenen Lebensrettern kann immer etwas passieren. O-Ton: Martin Höfler „Wir haben eine ganze Menge vor. Wir wollen heute 24 Flüge mit 48 Aufzügen machen. Da haben wir schon ein sportliches Programm. Wir wollen hoffen, dass die Maschine durchhält, dass es alles funktioniert, dass es alles klappt, dass wir uns nicht verletzten, dass alle gesund und munter bleiben.“ Auch wenn die Zeit drängt und heute fast 50 Rettungseinsätze geübt werden sollen: ohne Sicherheitseinweisung geht keiner in die Luft. O-Ton: Ausbilder „Also Ausgangsposition ist wie gehabt. Der Luftretter sitzt gesichert in der Kabine, an den Schlaufen, das könnt ihr euch gleich noch anschauen. Ihr habt gleich nochmal die Gelegenheit, euch die Kabine anzuschauen, die Sicherungspunkte etc. pp. Ihr sitzt gesichert in der Kabine, seid im Anflug, nehmt im Prinzip auch schon Sichtkontakt mit dem Rettling, mit dem Patienten im Wasser auf.“ Weil die Hubschrauber viel zu laut für normale Kommunikation sind, verständigen sich die Luftretter per Handzeichen. O-Ton: Ausbilder „Bodenhöhe - Arm ausstrecken und dann wieder rannehmen. Oder auch nur einmal den Arm ausstrecken und dann wieder rannehmen. Ok-Zeichen, oder Abbruch.“ „Das kenn jeder. Da weiß jeder, was gemeint ist.“ Maren wird den heutigen Flugtag eröffnen. Damit dort oben auch nichts schief geht, testet sie noch einmal alle Gurte, Halterungen und Haken. Die Abläufe kennt Maren, hier ist sie Profi. Aber auch ein Profi hat Schwachstellen, die es zu üben gilt. O-Ton: Maren Bartels „Grade in den Anfangsjahren konzentriert man sich sehr auf seine Verfahren, die einzelnen Schritte und mein Ziel für heute war tatsächlich, auch einmal ein bisschen lockerer werden, aus der Situation rauszuhandeln lernen, weil man das auch können muss – und das hab ich mir für heute vorgenommen. Nun sind alle Augen auf sie gerichtet. O-Ton: Maren Bartels „Ist natürlich auch eine besondere Ehre als Erste anfangen zu dürfen. Man muss seine Konzentration zusammen sammeln. Spannung ist da, Vorfreude ist auch da. Ich hoffe, das wird alles gut passen heute. Und los geht’s!“ Das Szenario ist ein absolut typisches: Ein Mensch treibt reglos in der Elbe. Jetzt zählt jede Sekunde. Aus 30 Metern Höhe wird Maren an einem dünnen Seil zu ihm hinabgelassen. Es ist, als würde sie sich aus dem zwölften Stock eines Hochhauses stürzen. Unten angekommen muss sie mit Wellen und Wind vom Hubschrauber kämpfen, bis sie ihren Patienten erreicht. Wenn beide gesichert sind, geht es wieder nach oben. Der Einsatzleiter verfolgt das Geschehen ganz genau vom Boden aus. Er weiß, dass bei solchen Einsätzen der kleinste Fehler lebensgefährlich sein kann. O-Ton: Einsatzleiter „Der war gut. Natürlich, Verbesserungspunkte hat man immer. Das werden wir gleich mit ihr besprechen. Aber grundsätzlich sind wir erst einmal zufrieden und das sah sehr gut aus.“ Gleich bekommt Maren das Feedback zu ihrem ersten Rettungseinsatz. O-Ton: Ausbilder „Bei der Körperumklammerung vielleicht beim nächstes Mal im oberen Bereich etwas deutlicher und hinten wirklich an die Schlinge packen und ordentlich anfassen und natürlich ohne zu viel Druck auf die Oberarme des Patienten zu geben, aber einfach als zusätzliche Sicherheit, dass da keine Probleme entstehen.“ Erste Hürde des Tages gemeistert und Maren hat direkt etwas dazu gelernt. O-Ton: Maren Bartels „Ich hab jetzt einmal ausprobiert, mit Schlinge zwischen den Beinen und einmal an der Seite und man dreht sich tatsächlich weniger, hatte ich das Gefühl, wenn man sie zwischen den Beinen hat.“ Und schon steht die nächste Aufgabe auf dem Plan. Jetzt soll Maren aus dem Wasser gerettet werden. Nun muss sie auf ihren Kollegen vertrauen, dass er sie sicher rettet. O-Ton: Maren Bartels „Aus meiner Sicht hat er das alles wunderbar gemeistert und gemacht, sodass ich mich sicher gefühlt hab und auch für mich alles richtig aussah.“ Maren und die anderen Luftretter machen diese wichtige Aufgabe komplett ehrenamtlich. Auch wenn die Einsätze extrem gefährlich sein können, ist es immer noch ihr absoluter Traum als Luftretterin unterwegs zu sein. O-Ton: Maren Bartels und Kollege „Ich glaube wir freuen uns einfach alle immer noch. Man sieht wahrscheinlich auch das dicke Grinsen bei allen im Gesicht. „Ein Adrenalinkick würde ja vielleicht auch Tunnelblick bedeuten, das ist ja das, was wir eigentlich nicht wollen. Wir müssen so trainieren, dass wir immer klar bei Sache sind.“ „Wir freuen uns, dass wir die Chance haben, das zu üben. Es ist ja nicht selbstverständlich und es ist eine Menge Aufwand für alle heute hier zu sein, auch für die Kollegen der Bundespolizei. Und dass man einfach die Chance hat, dabei zu sein, das machen zu können … und genießt dann einfach auch die Aussicht, das schöne Wetter und das wunderbare Fluggerät, wie ich finde.“ Die Luftretter gehören zur Elite-Truppe der DLRG. Hier reinzukommen ist nicht einfach. Die Ausbildung ist teuer und eine Menge Voraussetzungen müssen erfüllt werden. O-Ton: Maren Bartels und Kollege „Wir müssen im Zweifel, in diesem Maschinentyp auch „alleine“ einsetzbar sein. Alleine in dem Sinne, als Air Rescue Specialist. Natürlich haben wir die Kollegen der Bundespolizei dabei. Aber man muss schon seine Aufgabe selbstständig beherrschen. Und das haben sich bestimmt alle gefragt – viele fragen sich am Anfang – und ich auch, wie das mit der Höhe aussieht. Viele Leute haben ja einfach naturgemäße Höhenangst. Ich glaube, das ist auch einfach normal.“ „Ich glaube der gesunde Respekt ist wichtig und mit Training kann man das dann alles wieder ausgleichen und dann kriegt man Sicherheit und wird routinierter.“ Marens Training ist für heute beendet. O-Ton: Maren Bartels „Ich kann jetzt so richtig durchatmen. Alle meine Durchgänge sind fertig. Wir tauschen immer mittags komplett die Teams, haben die Gruppe halbiert. Jetzt beginnt der entspannter Teil des Tages für mich.“ In Österreich bei den Strömungsrettern. Mitten in der Übung kommt es zum Ernstfall. Ein Kajak ist geflippt, also umgekippt. Jetzt zählt jede Sekunde – das Leben des herausgeschleuderten Kajakfahrers steht auf dem Spiel. Erst mit dem dritten Wurfsack erreicht Francesco den Mann im letzten Moment und kann ihn an Land ziehen. Alle sind unverletzt. Doch die Ausbilder kritisieren die Reaktion des Teams. O-Ton: Ausbilderin „Aber das Ding ist halt, drei Leute rufen euch ‚gesicherten Springereinsatz‘ und keiner macht was. Alle gucken uns nur an, gucken wieder auf’s Wasser und es passiert nix.“ Die Ausbilder sind mit der Leistung der Gruppe überhaupt nicht zufrieden. O-Ton: Ausbilder „Den Patienten habt ihr noch rausbekommen, weil er sich festhalten konnte, am dritten Seil hat er sich dann irgendwann mal festgehalten, am dritten Wurfsack. Anders wäre er, glaube ich, auch durchgewesen. Das Boot, das kam ja relativ langsam, weil es ins langsamere Wasser getrieben war. Da hat man dann noch ein bisschen Zeit. Aber auch da … wenn ich mir da nicht einen geschnappt hätte, den eingehängt hätte, wäre wieder kein Springer da gewesen und am Ende war ich der Einzige, der am Seil war. Das ist rasend schnell. Fünf Sekunden verpennt und das Thema ist durch. Der ist vorbei, kriegt ihr nicht mehr.“ Die kritisierten Retter reflektieren ihren Einsatz. O-Ton: Francesco Gentile „Wir haben natürlich versucht, mit fünf Leuten direkt da runterzurennen. Ich war gerade noch am Wurfsack stopfen. Keine Chance mehr, einen zu stopfen. Zum Glück lag hier noch einer. Wir haben dann zum Glück auch getroffen, wo man sich festhalten könnte. Wie der Oli aber eben schon gesagt hat, hätte er einen nicht festgehalten von den zwei, dann wäre er durch gewesen. Dann hätte der Down Stream Selfie noch reingemusst, den im Endeffekt dann die Theresa rausgeholt hat, Es war mehr Glück im Unglück. Gott sei Dank hat das so geklappt. Aber natürlich rüttelt das auf jeden Fall wach.“ Ob er aus dieser Situation etwas gelernt hat, muss Francesco direkt bei der nächsten Übung unter Beweis stellen. Beim Rhein-Schwimmen in Köln hat Leonie ihren ersten Einsatz in der neuen Ortsgruppe. Es ist ein Freizeitvergnügen - mehr als 100 Hobbyschwimmer nutzen einmal im Jahr die Chance, sich von der gefährlichen Strömung im Rhein mitreißen zu lassen. Unter Aufsicht natürlich. Gleich nach dem Start zieht es die Gruppe auseinander. O-Ton: Rettungshelfer „Die Buhne kommt da schon. Er muss jetzt mal Gas geben. Und wir hinterher, sonst kommen wir wieder nicht hinterher.“ Drei Kilometer führt die Route durch den Rhein. Eine neue Umgebung für Leonie, die eigentlich aus einem kleinen Dorf in Baden-Württemberg kommt. Da kann die schöne Aussicht auch mal ablenken. O-Ton: Rettungshelfer „Komm Leo, wir haben nur einen Kilometer geschafft und sind schon wieder am Ende des Feldes.“ Obwohl sie trainiert sind, ist die Strömung auch für Rene und Leonie eine Herausforderung. O-Ton: Rettungshelfer „Wenn du’s dir mal anguckst, die 6 haben wir passiert, da kommt schon die 7 und wenn du jetzt mal zählst, hast du hier schon echt Geschwindigkeit drauf. – Ich find‘s richtig, richtig schnell. – und wir sind noch in dem Bereich, wo’s langsam ist.“ Strömung und kaltes Wasser. Selbst die erfahrenen Rettungsschwimmer fallen immer weiter zurück und müssen auf dem Boot kurz verschnaufen. O-Ton: Rettungshelfer „Komm Leo, tu was! – Was? – Da oben an den Griff dran und rauf aufs Boot. Komm hoch.“ Auf dem Boot kann Leonie kurz neue Kräfte sammeln. Hier hat sie auch einen guten Überblick, über die Menschenmenge im Wasser. O-Ton: Rettungshelfer „Vor allem, die sollen ja mehr zusammenbleiben. – Maximal 200 Meter oder so. Aber, wenn das jetzt schon so zieht- Bist du schon mal vom Boot gesprungen? So?- Ja. Dann holst du dir die Freigabe und dann wieder vom Boot …Aber schön mit Seitenplatscher“ Dieser Sprung sieht vielleicht witzig aus, ist aber überlebenswichtig in strömenden Gewässern. Die „Superman-Pose“ verhindert, dass die Strömung einen mitreißt. O-Ton: Rettungsschwimmer „Was ist beim Schwimmen im Rhein eigentlich so gefährlich? „Die Buhne – die Strömung – wenn man schaut, wie schnell wir sind und an den Buhnen bilden sich Strudel, die dich nach unten ziehen. Das ist das Gefährliche daran. Daran sterben auch die Leute. Und wenn Berufsschiffe vorbeifahren, dann ziehen die ja das Wasser an sich ran und du wirst dadurch sehr schnell in die Wassermitte gezogen und dann fahren die Berufsschiffer über dich. - Bleibt ihr wieder Strom innenseits“ Über 300 Menschen sind im vergangenen Jahr in Binnengewässern ums Leben gekommen. Viele unterschätzen die Gefahren im fließenden Wasser. Vor allem vorbeifahrende Schiffe können schnell zur Todesfalle werden. Jetzt sind die Rheinschwimmer fast am Ziel! Die Ersten begeben sich an Land. Schließlich hat es auch Leonie geschafft. Doch dann ändert sich die Situation schlagartig! Ein Mann wird von den Rettungsschwimmern aus dem Wasser gezogen und muss reanimiert werden. Leonie ist eine der ersten an der Unglücksstelle. Bis zum Transport in die Notaufnahme versorgt sie den Patienten. O-Ton: Leonie Staudenmayer „Natürlich finden wir das nicht gut, wenn etwas passiert, aber dafür trainieren wir wöchentlich die ganze Zeit und dafür bilden wir uns ja aus. Also wir besuchen ja nicht einfach einmal einen Lehrgang und haben dann die Qualifikation, sondern wir wollen es ja auch anwenden im Prinzip. Natürlich ist es nicht gut, wenn wir es anwenden müssen, aber man lernt halt tatsächlich nochmal durch so einen Einsatz die Leute nochmal ein bisschen anders kennen. Und damit muss man eben auch umgehen können, mit den Einsatzsituationen. Dann wird man halt mal kurz angeschrien, dass man irgendwas machen muss, aber das ist halt im Einsatz normal.“ Die Rettungsschwimmer haben sofort reagiert und alles Menschenmögliche versucht. Doch der Mann stirbt später im Krankenhaus. Dieser Vorfall macht klar, wie wichtig der ehrenamtliche Einsatz von Leonie und ihrer Ortsgruppe ist. In Österreich haben die Strömungsretter gerade einen echten Einsatz hinter sich. Bei der letzten Übung des Tages müssen sie selbstständig arbeiten und zeigen, dass sie schnell und durchdacht retten können. Francesco übernimmt die Führung. O-Ton: „So. Abschlussübung meine lieben Freunde. Nochmal alles geben. Nochmal alles Revuepassieren lassen, was wir heute geübt haben, was wir an Feedback bekommen haben, wann wir einen Springereinsatz machen, wann wir einen Fußspringereinsatz machen Und dann machen wir jetzt die letzte Übung noch.“ O-Ton: Ausbilder: „Jetzt Übungsszenario aus dem Leben gegriffen. Wir wurden alarmiert zur Unterstützung: Suche zweier Personen, Kajafahrer, beide Kajaks gefunden, beide Personen noch abgängig, hier in diesem Suchgebiet Aue. Euer Auftrag: suchen, finden und wohlbehalten hier rüberbringen.“ Zwei der Übungsleiter mimen die Verunglückten. Francesco muss seine Gruppe anleiten und die beiden zurück ans Ufer holen. O-Ton: Francesco Gentile „Ihr geht hier rein, in das erste Kehrwasser hinter dem kleinen Stein. Von da aus dann rüber. Ihr seid der erste Trupp, ihr habt keine Festseilverbindung. Wenn das klappt, dann können wir sehen, ob wir ein Seil da rüber spannen können und uns mit dem Raft an dem Seil überziehen können.“ Der Plan steht. Jetzt muss nur noch die Umsetzung gelingen. Das laute Rauschen des Wassers übertönt jeden Versuch zu kommunizieren. Der Plan verläuft nicht so, wie Francesco sich das gedacht hat. Ausbilder Gregor muss einschreiten. O-Ton: Ausbilder „Hast du dir eigentlich schon mal das Wasser unterhalb angeschaut? Was passiert wenn das nicht klappt? Wo ist dein Plan B? – Plan B ist Downstream und Plan C ist das Raft. – Stopp! Downstream muss immer stehen. Das ist nicht Plan B. – Dann ist Plan B das Raft. – Dann liegt’s falsch. Bevor du jetzt weiter reagierst, gehst du jetzt erst gucken was unten los ist.“ Ein neuer Plan muss her. Jetzt ist das Raft, das Rettungsboot, die letzte Chance. Francesco setzt alles auf eine Karte. Keine Chance – gegen die reißenden Fluten kommen sie nicht an. Die Kraft der Strömung nimmt die Lebensretter samt Boot mit sich. Abbruch durch die Ausbilder. Jetzt müssen auf einmal die Retter gerettet werden. Die Frustration ist groß! Francesco hat dieses Mal die falschen Entscheidungen getroffen. O-Ton: Ausbilder „Kurz und knapp: Passiert! War so nicht geplant. Aus Plan A wird Plan B, aus Plan B wird Plan C. Hat sich jemand verletzt – der hebe jetzt die Hand. Nein? Gut. Diese Übung ist hiermit beendet.“ O-Ton: Francesco Gentile „Auf der einen Seite hab ich einen Fehler gemacht, definitiv, und zwar dass ich den Plan gewechselt habe. Hätte ich von Anfang an dem Plan festgehalten, hätte das eher funktioniert. Der Plan, den wir jetzt als letztes verfolgt haben, sollte auch am Anfang so funktionieren. Jetzt hats leider nicht funktioniert. Das lag aber daran, dass auf dem Raft zu wenig Druckstärke war. Das hätten wir zuerst besser kalkulieren müssen. Aber es sind alle heil rausgekommen und das ist schon mal die Hauptsache.“ Für Francesco ist der Tag nicht so verlaufen, wie er sich das erhofft hat. Aber unterkriegen lässt er sich davon nicht. Um eine eigene Strömungsretter-Einheit aufbauen zu können, braucht Francesco noch mehr Erfahrung. Das ist ihm bewusst. Doch als Pionier für seine Gruppe ist er entschlossen diesen Weg zu meistern.